Ich vermisse dich du Monster.

Ich vermisse dich du Monster.

Man sagt Trennungen sind für jeden hart. Man sagt jeder muss die 5 Schritte der Trauer durchgehen bis hin zur Akzeptanz und dann ist alles wieder gut. So sagt man doch. Aber was danach kommt sagt einem niemand. Mag ja sein, dass es Menschen gibt, die sicher und glücklich in die Zukunft blicken, allein in den Sonnenuntergang reiten und Regenbögen pupsen. Ich bin leider keine von diesen Glückspilzen. Es ist nun 2 Jahre her und ich nage noch immer daran. Ich habe alle Trauerphasen durchlebt, ich habe gelernt zu akzeptieren, aber ich habe es noch nicht geschafft alle alten gemeinsamen Gewohnheiten allein oder mit jemand Neuem durchzugehen. Ich kann es einfach noch nicht. Ja, ich bin eine starke Persönlichkeit, habe eine harte Schale und bin nicht leicht zu erschüttern. Aber hier ist es anders. Denn vielleicht ist es bei Partnern so, aber verdammt nochmal nicht bei der besten Freundin! Nicht nach 10 Jahren. Nicht nach all den Erlebnissen, der Vertrautheit. Nein, bei der besten Freundin lebt man nicht einfach regulär weiter.

Nun gut, ich bin nach 2 Jahren nicht mehr der Scherbenhaufen, der ich damals war. Klar hab ich nach all der Zeit auch eine neue beste Freundin an meiner Seite. Aber die neue beste Freundin mit Mitte 20 ist einfach nicht die beste Freundin aus dem Kindesalter oder besser gesagt aus der Teenagerzeit. Es ist nicht die beste Freundin, bei der man kein Handy braucht um sich zu treffen sondern einfach in den Hof geht und sie da ist. Und wenn sie nicht da ist, geht man verdammt nochmal zu ihrer Türe und klopft an. Ihre Mama ist schließlich wie meine zweite Mama und umgekehrt. Aber vielleicht liegt das auch einfach an unserem ich-schreib-auf-whatsapp-„komm-raus“-anstatt-anzuläuten. Was weiß ich. Mir egal. Ich habe die Person nicht mehr bei der ich einfach anklopfen kann. Meine Person. Die jeden Tag auf mich wartet um gemeinsam Gassi zu gehen. Aber das hab ich überwunden. Mein Hund und ich wissen, dass wir nur noch alleine spazieren gehen. Und er bleibt auch nur noch sehr selten an ihrer Tür stehen, wenn wir vorbei gehen. Wahrscheinlich nur wenn er ihre Hunde riecht. Ansonsten gehen wir weiter. Als wäre es eine fremde Tür. Einfach irgendeine Tür. Einfach eine Tür.

Vieles hat sich seit damals verändert. Vieles sehe ich nun ganz anders. Vieles würde ich ganz anders machen, wenn ich die Zeit zurück drehen könnte. Ich hoffe ihr geht es genauso. Einiges hätte ich nie sagen dürfen und sie hätte einiges nicht tun dürfen. Nun ja, es ist wie es ist.

Meistens versuche ich nicht daran zu denken, das Leben ist hart genug. Aber bei manchen Situationen klatscht mir die Vergangenheit mitten ins Gesicht. Weil man 10 Jahre nicht aus dem Gedächtnis löschen kann. Heute ist so ein Tag. Ein ich-vermisse-dich-du-Monster-Tag. Wir hatten unser Ding. Papperlapapp, wir hatten Hunderte unsere Dinge. Viele, die man mit anderen Menschen ersetzen kann und einige, die man alleine machen kann. Tja, es gibt eine Sache, die ich weder wahllos ersetzen noch alleine machen kann. Das Skaten.

Eigentlich sehr verwunderlich, dass genau das sich in mein Gehirn gebrannt hat, weil sie es hasste. Und wie sie es hasste! Jeden Sommer habe ich sie gezwungen mit mir skaten zu gehen. Jeden Tag. Außer es regnete in Strömen. Sogar bei leichtem Regen musste sie dran glauben. Alles im Kampf gegen die Cellulite! Sie hat es gehasst, sie hat es trotzdem fluchend getan und ich weiß sie tat es nicht wegen der Cellulite. Nein, sie tat es für mich.

Sie tat so vieles für mich, diese faule Socke. Sie sammelte meine Scherben ein und klebte sie zusammen, wenn ich traurig war. Bis es endete. Sie mich in unendlich viele Scherben zerbrach, darauf herum trat und lachend weglief. Und mich liegen ließ. Mich und meine Skates.

Aber hey, ich hab mich mit Klebeband selbst zusammen geflickt. Kein Ding. Klar fehlen ein paar kleine Teile aber das macht nichts. So kann man weiter leben. Weiter atmen. Aber nicht Skaten gehen.

Die Sache ist ja die, es ist Samstag, es hat gefühlte 30 Grad, die Sonne scheint und wäre sie noch in meinem Leben dann wären wir längst draußen. Schnaufend, nörgelnd, bei jedem Dönerstand um eine Pause bettelnd, aber draußen. So war der Standard an einem Sommertag – bis vor 2 Jahren.

Seitdem habe ich nie wieder meine Skates aus dem Schrank geholt. Nie wieder. Ich habe sie noch nicht mal angesehen. Aber heute, ja heute werde ich nach vorne sehen und es wagen. Ich werde es allein tun. Ich kann keine andere Person in unser Ding integrieren. Das geht einfach nicht. Aber ich kann es allein tun. Ich kann mir meine Skates anziehen, meine Kopfhörer reinstecken und die Welt abdrehen. Wie diese alten verlassenen Frauen, die Abends alleine mit ihren Nordic Walking Stöcken die Straßen unsicher machen. Mit genau demselben leeren Blick und dem verschwitzten Gesicht. Mitleiderregende Blicke werden zugeworfen. Kinder lachen. Vielleicht über mich. Weil ich alleine skate. Ich Opfer. Ohne Freunde, ohne Trainingspartner, ohne Anna.

Vielleicht fühle ich mich befreit. Vielleicht fühle ich mich stark. Vielleicht habe ich es überwunden.

Ich werde es herausfinden – an einem anderen Tag.


Fotograf: Kidizin Sane

Stylistin: Selina Pichler

Visagistin: Barbara Maria Hutter

Model: Pamela Caroline

Schreibe einen Kommentar